Da meine Nichte die COMIC CON GERMANY 2018 als Astrid (aus Drachenzähmen leicht gemacht) besuchen wollte habe ich mir überlegt, ein passendes Kostüm für den Begleiter zu bauen.
Natürlich im Wikingerstil. Und ein Drache wäre auch ganz gut.
Nach einigem Überlegen kam dann die Idee: eine Rüstung mit einem Drachen auf der Schulter. Ein wenig Recherche über die diversen Drachenarten in den Filmen und der Serie führten mich dann schnell zu meiner Lieblingsart, dem tödlichen Nadder. Wer sich nicht auskennt, das ist die Drachengattung, die Astrid reitet.
Da diese Art geschätzt drei Meter hoch ist und eine Flügelspannweite von mehr als 10 Metern hat muss natürlich alles etwas kleiner werden. Es wird also ein Halbwüchsiger, nicht mehr ganz kindliche Züge und noch so handich, daß er auf die Schulter passt und nach den Statuten der Comic Con auch rein darf. Die lassen nämlich keine Kostüme mit mehr als zwei Metern Spannweite oder Schleppe o.ä. zu.
Es folgten ein paar Skizzen, die nie der Öffentlichkeit gezeigt werden dürfen, und dann gings an Blender um die Proportionen auszutüfteln.
Mit dem Addon ManuelBastioniLAB kann man sehr einfach, mit wenigen Parametern, sehr schöne menschliche Figuren erstellen. Mit etwas Übung kann man die Proportionen ziemlich genau steuern, das Addon "optimiert" leider die eingegebenen Daten etwas. Das Resultat ergibt aber trotzdem hervorragende "Schneiderpuppen" fürs Modellieren in Blender.
An diese Figur habe ich dann ein paar Rüstungsteile gelegt und einen einfachen Drachen auf die Schulter gesetzt.
Auf diese Art können die Proportionen sehr schön festgelegt werden. Es lässt sich alles im Raum drehen und bei Bedarf kann man sogar eine Stereoansicht erzeugen. Der Kopf des Drachen soll etwa 8 - 10 cm im Durchmesser haben, der Körper mit Schwanz wird etwa 60 cm lang.
Dann habe ich mir in den Kopf gesetzt, dass einfache statische Puppen langweilig sind. Deshalb soll das ganze mit etwas Elektronik und Mechanik aufgerüstet werden. Geplant sind ein bewegliches Maul, ein beweglicher Kopf und der Schwanz soll sich auch ein wenig bewegen. Seit ich mit einer Arduino-Bibliothek experimentiert habe, die kapazitive Sensortasten erlaubt, werde ich diese mit den Bewegungen koppeln und das Ganze interaktiv gestalten.
Zuerst muss aber der Drache gestaltet werden. Also Blender angeworfen und mit der Gestaltung begonnen.
Angefangen habe ich mit dem Kopf, den habe ich zuerst als grobe Form entworfen und anschließend mit den Sculptwerkzeugen in Blender verfeinert.
In dieser Phase lasse ich mich immer zu Details hinreisen, die später im Schaumstoff nicht abgebildet bzw. nicht direkt im Schnittbogen übernommen werden können. Das ganze hilft mir aber mir über Details klar zu werden und regt meine Phantasie an. Man kann die Wirkung auf einen Betrachter erahnen und kann sehr flexibel auch mehrere Möglichkeiten ausprobieren.
Dieser ganze Prozess dauert mehrere Stunden. Es hilft mir auch, alles ein wenig liegen zu lassen und erst am nächsten Tag wieder weiter zu machen.
Als ich mit dem Kopf zufrieden war habe ich mich um den Rest des Körpers gekümmert. Auch hier wurde zuerst ein grober Körper erstellt, der dann nach und nach mit Details erweitert und mit den Sculptwerkzeugen ferfeinert wurde.
Mit Beinen und angedeuteten Flügeln wird schon ein Drache daraus. Da der Drache aber nicht stehen sondern auf der Schulter sitzen soll musste ich die Position der Beine anpassen, auf die Füße und Zehen habe ich verzichtet, da diese sowieso nicht in den Schnittbogen übernommen werden.
Eine Stunde später und viele Anpassungen weiter war das Modell bereit für die nächste Phase.
Aus dem virtuellen Modell soll eine reale Puppe werden. Dazu nutze ich die Technik der Retopologie. Hier wird, um z.B. Charaktere für Animationsfilme oder Spiele zu entwickeln, auf ein sehr unordentliches und hochauflösendes Objekt eine zweite Haut aufgelegt. Diese neue Oberfläche schmiegt sich an das Modell an, hat aber eine viel niedrigere Auflösung. Die feinen Strukturen werden dann für 3D-Charaktere als Bumpmap und Normalmap auf den neuen Körper übertragen. Für meine Zwecke nutze ich diese Methode, wandle sie aber etwas ab.
Ziel ist es, möglichst flache Bereiche für das Schnittmuster zu erhalten. Die Platten aus Schaumstoff lassen sich nur in eine Richtung wölben, mit Wärme können sie begrenzt noch quer zu dieser Wölbung ein wenig in Form gebracht werden. Ich lege mit Hilfe der Werkzeuge aus dem Retopologie-Werkzeugkasten die späteren Nähte auf die Oberfläche des Modells und lasse die Flächen dazwischen mit Dreiecken füllen.
Bei symmetrischen Objekten muss man natürlich nur die eine Seite erstellen, für die andere Hälfte werden die Schnittmuster nur umgedreht.
Wenn alle Flächen Festgelegt sind kommt ein weiteres Addon für Blender zum Einsatz: Export Paper Model. Dieses Tool zerlegt die neue Hülle an den markierten Nähten und bügelt die Dreiecke flach. Bei Bedarf werden neue Nähte erstellt, das führt aber oft zu Formen, die nur sehr schwierig zusamengebaut werden können. Ich kontrolliere immer die entstandenen Flächen und gebe ihnen eine Bezeichnung, aus der ich die spätere Position erkennen kann.
Wenn alles zu meiner Zufriedenheit zerlegt ist wird es als SVG exportiert. Diese Datei wird dann in Inkscape weiter bearbeitet.
Ich habe die einzelnen Elemente auf dem DIN A4 Bogen so angeordnet, dass sie gut ausgeschnitten werden können. Viel wichtiger ist aber, die Nachbearbeitung. Ich setze am Rand in regelmäßigen Abständen Markierungen (auf den Bildern in rot). Diese Markierungen platziere ich auf beiden Seiten der Naht an der selben Stelle, die Nummern helfen dabei.
Der fertige Bogen wird dann ausgedruckt.
Der Zusammenbau erfolgt dann schrittweise. Ich schneide die nächsten Teile aus dem Schnittbogen, mache Kerben an den roten Markierungen und übertrage die Kontur auf den Schaumstoff.
Mit einem scharfen Skalpel schneide ich dann die Form aus, erwärme sie mit einer Heißluftpistole und gebe ihnen in Etwa die gewünschte Wölbung. Dann klebe ich die Kanten mit Kontaktkleber, dem guten alten Pattex, zusammen. Dabei sind die Markierungen an den Kanten hilfreich. Solange man darauf achtet, daß die Markierungen aufeinander liegen kommt man auch am Ende sehr langer Klebekanten punktgenau heraus.
Schritt für Schritt, Fläche für Fläche, entsteht dann der Drachenkopf.
An den Mundwinkeln habe ich weichen Schaumstoff eingesetzt um dort etwas mehr flexibilität zu erreichen, es soll sich später ja etwas bewegen.
Die Schuppenplatten auf der Nase aus meinem 3D-Modell habe ich dann auch aus Schaumstoff geschnitten. Ich habe die Schnittmuster auf ein Papier gelegt und eine neue Form für die Platten zusammengestellt. Die einzelnen Platten habe ich freihand gezeichnet. Die äussere Form wird ganz normal ausgeschnitten, die Fugen werden aber nur eingeritzt. Vorsichtig mit dem Heißluftföhn behandelt schrumpft die Oberfläche ein wenig und die Fugen öffnen sich.
Hörner, Zähne und Stacheln habe ich frei aus dickerem EVA-Schaum geschnitten und in Form geschliffen. Dann hat meine Ungeduld übernommen und ich habe den Kopf bemalt. Hin und wieder brauche ich eine Vorschau auf das Ergebnis.
Als nächstes werde ich den Körper herstellen und den beweglichen Schwanz bauen. Und um die Skelettstruktur für die Animation muß ich mich auch noch kümmern.
Es gibt also noch viel zu tun ...